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Dieses 300er Brevet im Emsland hatte ich eigentlich gar nicht eingeplant. Vielmehr wollte ich schon im April den „flachen“ Dreihunderter in Twisteden gefahren sein. Aufgrund einer hartnäckigen Erkältung musste ich jedoch umplanen und wegen der „Nähe“ zum Startort habe ich mich für dieses Emsland-Brevet entschieden … Emsland klingt irgendwie flach und nach dem idealen Terrain für Velomobile.

Vielleicht hätte ich mir vorher besser die Route und das Höhenprofil genauer angesehen, denn eigentlich ging die Tour in den Teutoburger Wald und nicht ins Emsland. Aber dazu später mehr.

Anreise

Um 05:30 Uhr klingelt der Wecker. Aufstehen, anziehen, frühstücken, waschen, dann hinters Steuer und ab auf die Autobahn in Richtung Lingen. Das Velomobil hatte ich bereits am Vorabend auf den Hänger geladen. Um 07:30 Uhr komme ich in Wietmarschen an.

Velomobil abladen, GPS Computer starten, Proviant einpacken und dann erstmal anmelden; Brevet-Karte unterschreiben und Startgebühr entrichten. Gemeldet sind zirka 40 Wahnsinnige, die wie ich vorhaben diese 300 Kilometer unter die Räder zu nehmen. Darunter auch einige Velomobil- und Liegeradfahrer.

Los geht´s

Hier gibt’s vor dem Start keine große Ansprache. Stattdessen geht es um Punkt 08:00 Uhr ohne viele Worte los. Alle Teilnehmer starten gleichzeitig.

Die ersten 50 Kilometer verlaufen total unspektakulär und das Fahrerfeld ist recht nah beieinander. Als wir dann das Emsland verlassen und langsam aber sicher den Teutoburger Wald erreichen wird es prompt hügeliger. Wenige Kilometer vor der ersten Kontrolle kommen die ersten echten Steigungen, die einen Vorgeschmack auf die insgesamt 25 weiteren Anstiege liefern.

Ausreichend gestärkt nach der ersten Kontrolle in einem Café ist dann Schluss mit lustig. Es folgen zig steile Anstiege auf kleinen, engen und verwinkelten Nebenstraßen mit Gegenverkehr. Spätestens hier sind die meisten Rennradfahrer mit ihren Carbon-Rennern an mir vorbeigezogen, während ich mich in meinem Velomobil in Schrittgeschwindigkeit die Anstiege raufquäle.

Eine echte Prüfung!

Schnell wird mir klar, dass dieses Terrain für Velomobile absolut ungeeignet. Hier hat man keinen Flow. Fast aus dem Stand geht es steil bergauf; keine Chance Schwung zu holen und in den Berg reinzufahren. Und bergab stehe ich wegen nicht einsehbarer Straßen oder STOP-Schildern fast nur auf der Bremse anstatt laufen zu lassen. Was für ein Ärger; was für eine Verschwendung von Energie!

Bei Kilometer 148 folgt die 2. Kontrolle; wieder ein Café, wo ich mich stärken kann und danach die Keramikabteilung aufsuche. Ich warte noch einen starken Regenschauer ab und dann geht es bei leichtem Dauerregen weiter.

Das ständige Auf und Ab sowie der Regen setzen sich fort und die nassen Straßen veranlassen mich, die Abfahrten noch vorsichtiger zu nehmen. Es ist mittlerweile 20:45 Uhr, der Regen hat zum Glück aufgehört, die Straßen sind weitestgehend abgetrocknet und nach 240 Kilometern erreiche ich die letzte Kontrolle vor dem Ziel. Ich gönne mir noch ein Eis an der Tankstelle und mache mich dann auf die letzten 70 Kilometer. Es wird dunkel, doch mein Scheinwerfer macht die Nacht zum Tag. Die letzten Kilometer ziehen sich wie Kaugummi. Meine Beine sind ziemlich ausgepowert und mein Magen rebelliert, vermutlich von den ganzen Süßigkeiten der letzten Stunden.

Kurz nach 23:00 Uhr erreiche ich dann das Ziel. Ich trage noch die Ankunftszeit ein und werfe dann die Brevet-Karte in den Briefkasten. Jetzt wieder das Velomobil verladen, umziehen und zurück auf die Autobahn in Richtung Ruhrgebiet. Und ich bin ein wenig stolz, es geschafft zu haben!

Was bleibt? Was habe ich dazugelernt?

  • Ich habe an nur einem Tag viele nette Gleichgesinnte kennengelernt. Egal ob am Wegesrand, unterwegs oder bei den Kontrollen … ein wenig quatschen gehört einfach dazu. Und ich freue mich schon jetzt darauf, den Ein oder Anderen bei der nächsten Veranstaltung wiederzusehen.
  • Für die Tour hatte ich eindeutig zu viel Proviant dabei! Die Quittung dafür habe ich an jedem Anstieg bekommen. Beim nächsten Mal werde ich mich mehr auf die Versorgung an den Kontrollstellen verlassen bzw. diese besser in meine Planung miteinbeziehen.
  • Vielleicht hätte ich ohne Haube fahren … war echt schmatzig in meiner kleinen Tropfsteinhöhle. O.k. als es dann aus Kübeln goss, war ich natürlich froh drum. Aber nass war ich sowieso; nur halt anders. Ansonsten lief mein Velomobil echt super. Okay an den Anstiegen hätte ich mir gerne ein paar Kilo weniger Gewicht gewünscht aber das gehört nun mal dazu. Dafür hatte ich es über die gesamte Fahrzeit äußerst bequem und komfortabel; keine Schmerzen Handgelenke keine Rückenschmerzen und keine “Arschrakete“. Nur die Fußsohlen brannten. Vielleicht muss ich demnächst mit weniger Druck auf dem Pedal und dafür schneller pedalieren.
  • Auch wenn es nicht leicht war, ich habe andere Fahrer ziehen lassen um meinen eigenen Rhythmus und mein Tempo zu finden und mir meine Kräften einzuteilen. Das wird auch die Strategie für meine nächste Prüfung sein.

Noch nie in meinem Leben bin ich 300 Kilometer am Stück mit dem Rad gefahren. Dazu kommen noch die zirka 2.000 Höhenmeter. Verglichen mit den beiden 200ern vom Niederrhein (Mühlentour) war es dieses Mal für mich eine echte Prüfung! Und ich glaube da geht noch mehr. Wir werden sehen; in 14 Tagen möchte ich gerne die 400 Kilometer schaffen.