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Es ist Freitagabend kurz vor 21:00 Uhr. Normalerweise sitze ich um diese Uhrzeit auf der Couch oder bin bereits eingeschlafen. Stattdessen stehe ich jetzt am Start meines ersten 400ers. Und dann noch Nachtstart!

Vor 2 Wochen erst bin ich hier im Emsland zu meinem ersten 300er gestartet; einen ausführlichen Bericht dazu findet ihr hier. Damals ging es früh morgens um 08:00 Uhr los und gegen 23:00 Uhr war ich im Ziel. Heute starte ich zum ersten Mal am Abend und werde damit die meiste Zeit nachts unterwegs sein. Davor habe ich ehrlich gesagt den meisten Respekt denn ich habe keine Ahnung, wie mein Körper auf den Schlafmangel reagiert.

Die letzten Tage habe ich den Wetterbericht genau im Auge behalten denn für die Abendstunden waren Gewitter mit Starkregen, Hagel und Sturmböen vorausgesagt worden. Dieses Unwetter hat sie sich mittlerweile zum Glück verzogen es war aber nach wie vor recht windig und in den ersten Stunden sollte es immer mal wieder regnen. Am Start haben sich zwischen 40 und 50 Leidensgenossen eingefunden; abgesehen von mir und einem anderen Velomobil-Fahrer sind ausschließlich RR-Fahrer dabei.

Start

Pünktlich um 21:00 Uhr geht es los. Das gesamte Fahrerfeld verlässt den Ort geschlossen. Danach geht es leicht bergab, für mich das Signal direkt am Fahrerfeld vorbeizuziehen. Aufgrund einer leichten Blasenschwäche muss ich öfter als geplant halten und die Rennradfahrer schließen immer wieder auf beziehungsweise ziehen an mir vorbei. Besonders an der ersten längeren Steigung nach circa 80 Kilometern muss ich viele Rennradfahrer ziehen lassen. Die meisten von ihnen sehe ich an der ersten Kontrollstelle nach zirka 130 Kilometern in Oelde wieder. Es ist eine 24h-Tankstelle, wo ich mir meinen ersten Stempel abhole. Auch zur dritten Kontrolle werde ich wieder hier vorbeikommen. Bevor mich die Müdigkeit überkommt, mache ich es kurz: Nur schnell austreten, eine Flasche Wasser und ein Schokoriegel gekauft und weiter geht’s in Richtung Sauerland.

Nach zirka 170 Kilometern kommen die ersten ernstzunehmenden Steigungen. Mit der kleinsten Übersetzung und offenem Lukendeckel kurble ich durch die Nacht. In der Morgendämmerung um 04:30 Uhr passiere ich den Möhnesee. Jetzt sind es noch einmal weitere 30 Kilometer und circa 1000 Höhenmeter bis zur zweiten Kontrolle in einer Bäckerei hinter Arnsberg.

Dort angekommen frühstücke ich mit den meisten anderen Rennradfahrern und ich nehme mir dieses Mal etwas mehr Zeit für ein paar interessante und belustigende Gespräche und eine Pause. 2 belegte Käsebrötchen und eine große Tasse Kaffee später geht es weiter. Kaum dass ich losgefahren bin wartet die längste Steigung dieser Strecke auf mich. Zirka 7 Kilometer geht es unaufhörlich bergauf. Und wieder kurble ich mit geöffnetem Lukendeckel bei kleinster Übersetzung tapfer weiter und weiter und weiter. Zwischenzeitlich überholen mich wieder einige der Rennradfahrer mit denen ich mich zuvor noch unterhalten hatte. Auf den nächsten 50 Kilometern liefere ich mir mit zwei von ihnen ein Katz und Maus Spiel. Sobald die Strecke leicht bergab geht oder eben verläuft, hole ich die beiden ein beziehungsweise ziehe an ihnen vorbei um am nächsten Anstieg wieder eingeholt zu werden. Das wiederholt sich so fünf bis zehn Mal und immer flachsen wir kurz miteinander; eine willkommene Abwechslung! Dann nach insgesamt 280 Kilometern kommt die dritte und letzte Kontrollstelle; es ist wieder die 24 Stunden Tankstelle in Oelde, wo ich bereits vor circa 7 Stunden meinen ersten Stempel holte. Ein letztes Mal fülle ich meine Wasservorräte auf, kaufe mir ein Eis und mache mich auf die letzten 130 Kilometer.

Meine Familie daheim ist mittlerweile auch wach und schickt mir regelmäßig aufmunternde Grußbotschaften auf mein Handy. Ich bin dankbar für jede Motivation, denn nicht nur mein Akku ist leer, auch werde ich zunehmend müder. Zum Glück habe ich noch eine Tüte Gummibärchen dabei, die mir weiteren Schub für das letzte Teilstück gibt.

Der Autoverkehr hat zwischenzeitlich spürbar zugenommen. Aber abgesehen von einem bekloppten SUV-Fahrer, der mir wild hupend und gestikulierend vorschreiben will, wo  ich zu fahren habe, tolerieren alle anderen meine Fahrt auf der Straße und überholen in respektablem Abstand. Danke!

Ich zähle die letzten Kilometer runter … 350, 360, 370 … 400. Dann nach circa 415 Kilometern kommt das ersehnte Ortsschild und nach 417 Kilometern, 2000 Höhenmetern und einer Bewegungszeit von nicht ganz 16 Stunden komme ich um kurz vor 15:00 Uhr am Ziel an. Zuletzt noch die Ankunftszeit eintragen, Stempelkarte in den Briefkasten einwerfen, Velomobil verladen und dann ab nach Hause. Nicht ganz anderthalb Stunden Autobahnfahrt später komme ich erschöpft zu Hause an. ich nehme ein heißes Bad und falle ins Bett.

Was bleibt?

Was soll ich sagen? ich muss zugeben, dass ich total erschöpft war. Und im Vergleich zu manch anderem Fahrer fehlt mir noch ein ganzes Stück Fitness. Aber ich habe es geschafft! Und dafür, dass ich erst seit 3 Jahren Velomobil fahre, kann ich mehr als zufrieden sein mit meiner Leistung. Außerdem gibt mir das neue Motivation um mich auch weiterhin zu verbessern!

In 4 Wochen findet der 600er statt, aber ich glaube nicht, dass ich teilnehmen werde. Die letzten beiden Brevets über 300 beziehungsweise 400 Kilometer haben wir eindeutig meine Grenzen aufgezeigt. Schließlich soll auch der Spaß im Vordergrund stehen. In diesem Jahr werde ich sicherlich noch einige “kürzere“ Veranstaltungen fahren und weiter an meiner Form arbeiten. Und wie ich mich kenne, werde ich es dann bestimmt im nächsten Jahr wieder versuchen.